Kommentar / Meine Meinung

Preußen ist mir natürlich ein Begriff, die Geschichte des noch jungen Staates jedoch weniger. Zwar habe ich vor sehr vielen Jahren einiges darüber gelernt, doch das ist längst im Dunkel der verblaßten Erinnerung verschwunden. So schien mir dieses Buch eine geeignete Möglichkeit zu sein, dieses verlorene Wissen aufzufrischen.

Die Autorin schreibt in sehr schön anschaulicher Sprache, so daß ich von daher relativ schnell in die Geschichte hinein kam. Auch die Figuren wurden rasch vor meinem geistigen Auge lebendig. Insgesamt empfand ich das Buch, auch an den schlimmen Stellen, „warm“ erzählt, dennoch bin ich nicht so ganz warm damit geworden. In das Buch ist eine Menge an Recherchearbeit eingeflossen, was sich zum Beispiel durch zeittypische Ausdrücke - wir sind um die Mitte des 16. Jahrhunderts - bemerkbar macht. Und genau da ergab sich für mich ein Problem: denn die Begriffe, etwa für damalige Kleidungsstücke oder Architekturdetails, erzeugten bei mir nicht unbedingt eine Stimmung der Zeit, sondern machten mir im Gegenteil mehr als deutlich, wie weit entfernt jene Zeit doch ist, wie anders alles war, wie fremd mir das ist. Ich habe bisher nur wenige Bücher, die in diesem Jahrhundert spielen, gelesen, aber keines zeigte mir die Distanz zu heute so überdeutlich auf wie dieses, wodurch mir das ganze Buch hindurch selbst eine mentale Distanz blieb, die mich nicht restlos eintauchen ließ.

Die Geschichte selbst entwickelte sich für mich folgerichtig, die Figuren handelten glaubhaft, und manche Eigenheiten und Besonderheiten hat die Autorin im Nachwort bzw. in Kommentaren an anderer Stelle als historisch belegt erklärt. Dabei macht man als Leser immer wieder die Erfahrung, daß nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Geschickt legt die Autorin so manche falsche Fährte, die nicht nur die Figuren auf unzutreffende Gedanken kommen läßt. Am Ende jedoch sind alle losen Fäden verknüpft und die offenen Fragen beantwortet. Zwar gibt es immer wieder vereinzelt Anspielungen auf den etwa hundert Jahre früher spielenden Roman „Gold und Stein“, in dem die Urahnen eines Teils der hiesigen Figuren die Hauptrolle spielen, jedoch ist „Die Liebe der Baumeisterin“ auch ohne das frühere Buch (das ich selbst bisher nicht gelesen habe) verständlich und in sich abgeschlossen.

Ergänzt wird das Buch durch ein Nachwort sowie ein Glossar, in dem alle Begriffe erläutert werden. Hilfreich ist auch das Personenverzeichnis, in welchem historische Persönlichkeiten als solche gekennzeichnet sind. Eine Landkarte, auf der sich die im Verlauf der Handlung geschilderten Reisen nachvollziehen lassen, ist ebenfalls enthalten.

Viel wichtiger, als die Tradition der Alten nur halbherzig fortzuführen, ist es doch, einen eigenen Weg daraus abzuleiten und ihn dann voller Leidenschaft zu beschreiten. (Seite 726) Dies läßt sich sehr gut auch als Quintessenz des Buches und als etwas, was auch für uns heutige Geltung hat, herauslesen. Vieles im Buch mag zeittypisch sein, doch Dinge wie die Fortentwicklung der Tradition bis hin zum Generationenkonflikt sind damals wie heute aktuell. Insofern vermag das Buch über die eigentliche Handlung hinaus Denkanstöße zu geben.

 

Kurzfassung

Ein gut lesbarer Roman zur Zeit der Gründung Preußens, der mir auch die „Entfernung“ zu jener Zeit verdeutlicht hat.

 

 

Bibliographische Angaben

748 Seiten, 1 Landkarte, gebunden mit Schutzumschlag. Verlag: Knaur Verlag, München 2013

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